IITR Datenschutz Blog

Neues Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz: Was ändert sich für den Datenschutz?

15.06.2023

Das Pflegeuntestützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) wurde in dritter Lesung am 26. Mai 2023 verabschiedet und tritt mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt zum 1. Juli 2023 in Kraft. Damit erfolgt eine eine Reformierung der gesetzlichen Pflegeversicherung.

Gesetzliche Änderung: Anpassung an Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Der Regelbeitragssatz wird zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte von derzeit 3,05 Prozent auf 3,4 Prozent angehoben und die Anzahl der Kinder wird künftig bei der Beitragshöhe berücksichtigt. Hintergrund ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 (1 BvL 3/18). Danach sind bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung der wirtschaftliche Erziehungsaufwand der Eltern und auch die Zahl der Kinder stärker zu berücksichtigen. Für kinderlose Mitglieder gilt ein Beitragssatz von 4 Prozent. Eltern zahlen dann in der Regel 0,6 Beitragssatzpunkte weniger als Kinderlose. Für Mitglieder mit mehreren Kindern unter 25 Jahren ermäßigt sich der Beitragssatz für das zweite bis fünfte Kind zusätzlich um 0,25 Beitragssatzpunkte je Kind.

Ab dem 1. Januar 2024 werden das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungsbeträge um jeweils fünf Prozent erhöht. Der Anspruch auf das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld wird ausgeweitet. Diese Lohnersatzleistung wird gezahlt, wenn wegen der Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen werden kann. Das Pflegeunterstützungsgeld kann bis zu zehn Arbeitstage pro Kalenderjahr für die pflegebedürftige Person in Anspruch genommen werden.

Datenschutzrechtliche Auswirkungen

Vielleicht fragen Sie sich, warum wir in unserem Datenschutz-Blog über die anstehenden Änderungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung berichten. Als Arbeitgeber müssen Sie kurzfristig die Umsetzung der Neuregelung der gesetzlichen Pflegeversicherung zum 1.7.23 für Ihre aktiven Mitarbeiter sicherstellen. Gemäß § 55 Abs. 3 S. 6 SGB XI-E (vgl. bisherige Regelung in § 55 SGB XI) ist für die Inanspruchnahme die Elterneigenschaft sowie die Anzahl der Kinder unter 25 Jahren gegenüber der beitragsabführenden Stelle nachzuweisen.

„Die Elterneigenschaft sowie die Angaben zu den Kindern sind in geeigneter Form gegenüber der beitragsabführenden Stelle, von Selbstzahlern gegenüber der Pflegekasse, nachzuweisen, sofern diesen die Angaben nicht bereits aus anderen Gründen bekannt sind.“

Hinsichtlich der Definition der nachzuweisenden Elterneigenschaft bzw. der Kindereigenschaft zählen – so der GKV Spitzenverband – als Eltern auch Stief- und Pflegeeltern bzw. als Kinder auch Stief- und Pflegekinder.

Als Nachweis eignen sich z.B. Geburtsurkunde, Vaterschaftsanerkennung, Abstammungsurkunde, steuerliche Lebensbescheinigung des Einwohnermeldeamtes, Bestätigung des Pflegekindschaftsverhältnisses durch die zuständige Behörde, Adoptionsurkunde. Damit müssen Sie als Arbeitgeber zusätzlich zu den bereits vorhandenen personenbezogenen Daten Ihrer Arbeitnehmer weitere personenbezogene Daten von Kindern bzw. Daten zu sehr persönlichen Umständen erheben, speichern und DSGVO-konform verarbeiten.

Datenschutzkonforme Nachweise-Erfassung

  1. Digitale Meldemöglichkeit

Bislang gibt es zum 1. Juli 2023 noch kein effizientes digitales Verwaltungsverfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Kinderzahl, das Sie als Arbeitgeber unterstützen könnte und das auch auf Konformität mit der DSGVO geprüft wurde. Vielmehr soll ein solches Verfahren bis zum 31. März 2025 umgesetzt werden. Dieses wird vom Bundesministerium für Gesundheit gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat, dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft entwickelt. Die beitragsabführenden Stellen könnten dann weiterhin ohne Berücksichtigung der nachgewiesenen Kinderzahl abrechnen, müssten aber die ermäßigten Beitragssätze rückwirkend anpassen. Das Warten auf die digitale Lösung klingt zunächst nach einem pragmatischen Weg, zumal dann keine zusätzlichen personenbezogenen Daten der Kinder vorgehalten werden müssten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass für die rückwirkende Geltendmachung der Ermäßigungen ab dem 1. Juli 2023 Verzugszinsen zu zahlen sind. Völlig ungeklärt ist auch, wie im Falle eines Arbeitsplatzwechsels oder auch im Falle des zwischenzeitlichen Ablebens von Beschäftigten zu verfahren ist.

  1. Analoge Meldemöglichkeit

Der Nachweis der Elterneigenschaft kann dem Arbeitgeber als beitragsabführender Stelle „analog“ – z.B. in Papierform – übermittelt werden. Die Speicherung und Verarbeitung wäre nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO entsprechend legitimiert. Hier ist jedoch größte Vorsicht geboten, da bei größeren Unternehmen mit vielen Mitarbeitern ab Juli 2023 mit einer regelrechten Flut von Unterlagen mit personenbezogenen Daten von Kindern zu rechnen ist, die entsprechend sorgfältig zu behandeln sind. Die ersten Fragen tauchen auf, ob der Mitarbeiter datenschutzkonform z.B. die Geburtsurkunde(n) als Scan per E-Mail versenden darf. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist davon grundsätzlich abzuraten. Vielmehr empfiehlt es sich, die Nachweise per Post z.B. an den zuständigen Mitarbeiter der Personalabteilung zu senden oder persönlich zu übergeben. Sollte eine Übermittlung per E-Mail zwingend erforderlich sein, ist darauf zu achten, dass die versandten Nachweise nicht in die Hände Dritter gelangen können. Dies kann durch Verschlüsselung der Dokumente mit einem Passwort und separater Übermittlung (dann z.B. per SMS) oder durch Speicherung in einer verschlüsselten Zip-Datei gewährleistet werden. In diesem Fall ist es jedoch unbedingt erforderlich, dass den Mitarbeitern im Unternehmen ein sicherer Übertragungsweg vorgegeben wird.

  1. Meldung via Selbsterklärung

Für den Zeitraum vom 1. Juli 2023 bis zum 30. Juli 2025 soll der Nachweis der Kinder im Rahmen einer Selbstauskunft ausreichend sein. Der Arbeitnehmer hat auf Verlangen des Arbeitgebers Angaben über die zu berücksichtigenden Kinder zu machen.

Fazit: Aufgaben für Arbeitgeber

Die Zeit drängt und es ist ratsam, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter rechtzeitig über das neue Gesetz zum 1. Juli 2023 informieren. Weisen Sie Ihre Mitarbeiter darauf hin, dass die Nachweise sorgfältig geschützt werden müssen und nicht über Chatanbieter oder einfache E-Mails übermittelt werden dürfen.

Überlegen Sie, wie Sie den Prozess der Nachweismeldung konkret datenschutzkonform gestalten und umsetzen. Da die digitale Meldemöglichkeit noch nicht zeitgemäß ist, müssen Sie sich für die analoge Meldung oder die Meldung per Selbstauskunft entscheiden. Welchen Weg Sie auch wählen, bedenken Sie, dass Sie es mit besonders schützenswerten Nachweisen zu tun haben und entwickeln Sie einen robusten und verlässlichen Meldeweg, der den Anforderungen des Datenschutzes Rechnung trägt.

Dabei sollten Sie auch Ihre Datenschutzhinweise für Mitarbeiter entsprechend anpassen. Gerne unterstützen wir Sie dabei.

Sabine Schmitt-Hennig

Über die Autorin - Legal Consultant Sabine Schmitt-Hennig

Frau Rechtsanwältin Sabine Schmitt-Hennig ist zertifizierte Datenschutz-Auditorin und als selbständige externe Datenschutzbeauftragte tätig. Sie verfügt über eine langjährige Unternehmenserfahrung im ITK-Bereich mit Schwerpunkten u.a. wie Rechenzentren, Cloud, Telekommunikation, Daten-Transfer in und außerhalb der EU und war in internationaler Management-Verantwortung für den Bereich Datenschutz und Compliance tätig. Standort: Frankfurt am Main

Beitrag teilen:

0 Kommentar zu diesem Beitrag:

Kommentar schreiben:

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

https://www.iitr.de/blog/wp-content/uploads/2020/10/chatbot-load.png https://www.iitr.de/blog/wp-content/uploads/2020/10/loading.gif