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CCC publiziert BKA-Vertrag zur Sperrung von KiPo (Update)

16.02.2009

Zum Thema Netzsperren: Der CCC hat den Entwurf eines Vertrages zwischen dem BKA und Providern zur “Sperrung” von Webseiten online gestellt.

Update: Die Punkte 7-9 sind hinzugekommen.

Dazu ganz kurz was mir als erstes ohne nähere Prüfung durch den Kopf schießt:

  1. §1 II des Vertrages ist schon fraglich: Besteht angesichts der Regelungen im StGB iVm §134 BGB überhaupt ein Anspruch eines ISP-Kunden auf Zugang zu KiPo-Seiten? Ist die Erwähnung in AGB überhaupt nötig? (Nachtrag: Ich denke ja, da ja insgesamt Seiten gesperrt werden und auch Fehler auftreten können – und werden.)
  2. Man muss wissen, dass Vertrag nicht gleich Vertrag ist. Ich denke, dies hier ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nach den §§54ff. VwVfG des Bundes (hier handelt eine Bundesbehörde). Der aber setzt voraus, dass das BKA als Behörde sachlich, örtlich, funktionell und instantiell zuständig ist, was sich nach den entsprechenden Normen beurteilt. Bisher gibt es aber gerade keine Norm (was ja das Problem ist), mit der sich eine solche Zuständigkeit begründen lässt, insofern ist schon die formelle Rechtmäßigkeit des Vertrages in Zweifel zu ziehen.
  3. Es sind bei öff-rechtlichen Verträgen die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Verfassungs- und Verwaltungsrechts zu beachten. Nicht nur dass im Verwaltungsrecht ausdrückliche Normen fehlen, es stellt sich auch die Frage, in wie fern sich daher der Eingriff in die Art. 2, 5, 10, 12 GG rechtfertigen lässt.
  4. Praktische Probleme: Wenn etwa Seitenzugriffe gezielt erfolgen sollen, etwa via Strafverfolgungsbehörden oder seitens der Lehre (Uni), wären diese Zugriffe ja gerade nicht mehr möglich.
  5. §3 IV verpflichtet die Provider, eine Stopp-Seite (also ein Template) des BKA zu nutzen. Dabei ist es dem BKA belassen, wie die Seite aussieht, also auch, ob etwa Javascripte platziert werden, die die IP der betroffenen User an das BKA übermitteln.
  6. Es stellt sich die Frage, ob die Kunden entgegen §3 V nicht das Recht haben, zu wissen, welche Seiten blockiert sind, also ob hier nicht das Wettbewerbsrecht betroffen ist. Dies mag zwar via Gesetz ausgehebelt werden, aber eben nicht durch einen einfachen Vertrag.
  7. “Dritte”: Nach §58 I VwVfG müssen Dritte, in deren Rechte eingegriffen wird, schriftlich zustimmen. Hier ist nicht nur an die Kunden der ISP zu denken, sondern auch an geblockte Seitenbetreiber. Klingt wie ein schlechter Scherz, ist aber ein interessantes Problem. Eventuell wird deswegen auch die AGB Regelung aufgenommen, hier wird eine Zustimmung der Kunden fingiert (wenn auch nicht schriftlich). Fraglich ist, ob man hier schon wegen der grundrechtsbetroffenheit eine Drittbetroffenheit sieht, wird wohl die Mehrheit verneinen; Weiterhin ist zu prüfen, ob in den Regelungen des TKG und TMG Regelungen mit Drittschutzfunktion gesehen werden können, das kann und will ich hier aber nicht im Detail prüfen.
  8. Der Vertrag könnte schon nach §59 II Nr.1 VwVfG nichtig sein, weil ein entsprechender Verwaltungsakt wahrscheinlich nichtig wäre.
  9. Nochmals “Dritte”: Aufgrund des Eingriffs in die Rechte Dritter könnten auch Dritte klagebefugt sein – so etwa Kunden und Seitenbetreiber. Bürgerrechtlern eröffnet das den Weg, Musterklagen anzustreben.

Das nur aus dem Bauch raus, es folgen sicherlich bald detaillierte Analysen. Insofern ist dieser Eintrag als (streitbare) Vorlage für weitere Beiträge zu verstehen.

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