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Schuld und Unschuld

07.03.2009

Zugegeben: Ganz klar Offtopic. Aber gerade wegen meiner Artikel zum Thema Tauss bin ich zur Zeit häufig in mitunter konstruktive Diskussionen zum Thema verwickelt, nicht zuletzt wegen meiner Twitter-Beiträge. (Nochmals: Es geht um die Berichterstattung in der Sache, die ich mitunter kritisiere, ich beziehe ausdrücklich keine Stellung, da es ja keine gesicherten und abschliessenden Informationen gibt)

Zum Thema Schuld und Unschuld in Deutschland ziehe ich gerne zwei Beispiele heran:

  1. Da ist der eine, der nachweislich unschuldig ist, aber dessen mediale Existenz alleine Aufgrund des Vorwurfs der Vergewaltigung zerstört wurde.
  2. Da ist der andere, der im für den Jugendschutz relevanten Sportbereich (“Keine Macht den Drogen”) mit “harten Drogen” hantiert hat und heute problemlos weiter in seinem Job ohne weiteres Abhandeln der Thematik arbeiten kann.

Gerade (1) ist ein Standardbeispiel von mir, wenn mir wieder einmal einer gegenüber steht, der meint “Aber ich habe ja nichts gemacht”, wenn erste Vorwürfe erhoben werden.
Sicherlich liegt es an dem besonderen Blickfeld, dass ich habe, wenn ich sehr kritisch daran gehe. Aber es ist nun einmal für mich nichts besonderes, dass Menschen, die sich “nichts zu schulden haben kommen lassen” plötzlich mit Vorwürfen konfrontiert werden und dann Hilfe suchen:

  1. Sei es dass gegen den Familienvater ermittelt wird, weil ein Zahlendreher in der IP vorkam,
  2. dass man plötzlich ein Ermittlungsverfahren am Hals hat, weil man bei eBay unwissend Hehlerware gekauft hat,
  3. dass man plötzlich das eigene Kind missbraucht haben soll – zufällig kommt der Vorwurf während eines Sorgerechts-Streits

Wer dann meint “Aber ich bin doch unschuldig” soll immer an (1) denken und sich fragen, wer nochmal genau Andreas Türk war. Und was “unschuldig sein” mitunter wert sein kann.
Wir leben, und deswegen stehen da oben zwei Beispiele, längst in einer Verdachtsgesellschaft: Nicht was wir tun interessiert am Ende besonders, sondern wessen man uns verdächtigt. Und auch bei den Verdächtigungen gilt die übliche Abstufung der Tatvorwürfe – deswegen wiegt alleine der Vorwurf der Vergewaltigung (1) schwerer als der im Raum stehende Konsum harter Drogen (2).

Und deswegen ist alleine der Vorwurf “Kinderpornographie”, ohne dass Verben genutzt werden müssen (“handeln mit”, “besitzen”, “vertreiben”) schon ausreichend, um eine Existenz zu vernichten. Ein Blick in die Zeitungen reicht, um das zu bestätigen: Was ist den Bitte der “Verdacht auf Kinderpornographie”? Jedenfalls ist es kein Satz, denn da fehlt die Tat, also wessen man beschuldigt wird (momentan ja zumindest “besitzen”). Der Leser bemerkt das nicht, denn das Wort ist so schlimm, dass man nicht mehr schreiben muss. Und so gut diese absolute pönalisierung dieser Verbrechen im Zusammenhang mit Kinderpornographie nun einmal ist, so schlecht ist es, wenn wir zu lax mit dem Wort um uns schmeißen.

Eben deswegen rate ich auch immer so aggressiv, einen aktiven Strafverteidiger zu konsultieren – auch wenn “nur” der Vorwurf einer Tat, ganz besonders Sexualtat, geäussert wird. Gerade wer erklärt, dass das System funktioniert, muss sich bewusst sein, dass die Strafverteidigung eben ein Teil dieses Systems ist. Wer sie nicht frühstmöglich konsultiert, provoziert geradezu eklatante Fehler.

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6 Kommentare zu diesem Beitrag:

NR

Nicht nur die Verben werden vergessen. Die Nordwestzeitung titelte heute: "Kindersex: Politiker gibt auf"

http://www.nwzonline.de/index_aktuelles_politik_nachrichten_artikel.php?id=1944923

trapanal

ACK, ich finde es auch eine Sauerei, was die Presse alles aus "Ermittlerkreisen" über ein laufendes Verfahren erfährt.

Es gibt offenbar Themen, bei denen man sich die Unschuldsvermutung übers Bett hängen kann ...

sweetspot

Ein großes Lob an den Verfasser! Obgleich mir die Floskel "Verdacht auf Konderpornografie" auch gleich so unvollständig vorkam und ein comichaftes Fragezeichen über meinem Kopf produzierte, ist es hier das erste Mal, dass jemand das aufgreift. Danke.

Und gleich nochmals danke für die "Munition". Denn mitunter steht man in Wortwechseln der Überzeugungsarbeit doch recht hilflos da angesichts der bleiernen Schwere der Begriffe. Jetzt weiß ich, wie ich argumentieren kann!!!

sweet.

m*sh

Die Oeffentlichkeit weiss seit drei Tagen schon ALLES und der Verteidiger von Tauss bekommt am Mittwoch naechster Woche Akteneinsicht.

Allein das (aber noch ein paar andere Fakten in diesem Fall) sprechen in meinen Augen fuer eine gezielte Rufmordkampagne.

Was war eigentlich mit dem Innenminister, der eine Skifahrerin getoetet hat. Da ist nachweislich jemand ums Leben gekommen. Wurde da die Immunitaet aufgehoben?
-m*sh-

dpms

Das Dilemma ist schön beschrieben.

Daumen hoch. Ein guter Strafrechtler muss entweder selbst gute Kenntnisse im Medienrecht haben oder mit einem Spezialisten zusammenarbeiten.

Mit Strafrecht hat das ganze nur noch wenig zu tun. Verdachtsberichterstattung im Keim zu ersticken ist quasi unmöglich. Es gibt immer Boulevard-Blätter, die hohe Geldstrafen gegen hohe Auflagen in Kauf nehmen.

Am besten nicht erwischen lassen. Und wenn doch: Klappe halten und am besten gleich mal Urlaub machen.

egal

1. Der Anwalt von Tauss ist Medienspezialist. Ob er noch einen extra Strafrechtler im Gepäck hat, ist nicht bekannt.

2. Hätte Tauss nicht gleich sich in der Öffentlichkeit gerechtfertigt ("dienstliche Gründe"), wäre wohl auch die StA nicht genötigt gewesen in der Öffetnlichkeit den Fund zu bewerten (Privatwohnung, nicht-elektronisch gespeichert).

3. Der "Innenminister" war ein Ministerpräsident; ob er auch Abgeordneter war, ist mir nicht bekannt, aber die Immunitätsregelungen schützen immer nur vor innerstaatlicher Verfolgung. Die Straftat wurde aber im Ausland begangen.

4. Wenn die Journaille "Ermittlerkreis" schreibt, muss das nicht stimmen. Quellenschutz und so.

5. Die NW-Zeitung hat sich mit so einer Schlagzeile schadensersatzpflichtig gemacht.

6. Tauss hat nicht sein Mandat aufgeben, nur die unwichtigeren Ämter in der Partei und Fraktion.

7. Tauss wird morgen abend wohl eine Erklärung abgeben auf seiner Website.

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