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Die Angst vor dem Volk

25.05.2009

Unmittelbar nach seiner Wahl brachte Horst Köhler erneut die Direktwahl des Bundespräsidenten ins Gespräch. Die Union reagierte verärgert, die Zitate der Politiker lassen sehr tief blicken was das Demokratievrständnis bei uns auf oberster Ebene angeht. Drei Zitate, die übersetzt entlarven, wie es bei uns um die Demokratie bestellt ist.

So meinte der Bundestagspräsident, dies hätte:

“eine nachhaltige Verschiebung inden politischen Gewichten” zu UNgunsten von Kanzlerin/Kanzler zur Folge, da diese nicht direkt vom Volk sondern indirekt vom Parlament gewählt würden

Es bleibt nur eine Frage: Wo ist das Argument? Wir sind gegen mehr direkte Demokratie, weil das weniger indirekte Bedeutet? Ein klassischer Zirkelschluss, der nur eine Aussage beinhaltet: “Ich bin dagegen, weil ich dann weniger Einfluss befürchte”.

Schön auch der CDU-Fraktionsschef, der meint:

Der Bundespräsident solle aus dem ganzen Wahlkampfgetümmel herausgehalten werden

Das ist mal eine Wahrnehmung der Realität: Das unwürdige Geschleime von Gesine Schwan bei den Parteien (“Bitte wählt mich”) und das holprige rumgehopse eines Horst Köhlers, der keine Parteien verärgern will, ist natürlich viel besser.
Und überhaupt: Wer macht denn den Wahlkampf? Die Bürger doch wohl nicht, die sind inzwischen vielmehr von den peinlich/primitiven Wahlkampfpostern der Parteien eher angeödet bis angewidert. Wer ein Amt aus dem Wahlkampf raushalten will, und zugleich (als Partei) alleine für die Form des Wahlkampfes verantwortlich ist, muss sich da keine Sorgen machen. Stattdessen aber wird lieber die Demokratie eher klein gehalten, oder übersetzt: Inzwischen ist alles ein derartiger Selbstläufer und Automatismus in unserer Parteiendemokratie, dass die gar nicht mehr in der Lage wären, sich zu kontrollieren – selbst wenn sie wöllten.

Und noch deutlicher dann Horst Seehofer, der meint:

Das jetzige Wahlverfahren für das Amt des Bundespräsidenten und seine Amtsstellung haben sich bewährt. Da sehe ich keinen Änderungsbedarf.

Kein Änderungsbedarf, obwohl Bürger das eventuell wünschen? Was der Bürger möchte ist also egal – solange die Parteien zufrieden sind. Und was heisst überhaupt “bewährt”? Das kann doch nur heißen, dass immer der Bundespräsident gewählt wurde, der der Mehrheit der aktuellen Parteienlandschaft entspricht. Ein Grund, warum man den Bürgern das nicht zugesteht, was sie evt. einfordern, ist das noch lange nicht.

Wir haben uns sehr verkrustet in unserem Denken, zu viele Menschen glauben, dass “Demokratie” das Gleiche ist wie die Form der Demokratie (“Parteiendemokratie”) die wir in Deutschland pflegen. Der Blick ins Ausland zeigt aber, dass auch andere Formen, mit mehr direkten Elementen, sehr gut funktionieren. Den Blick scheuen unsere Politiker übrigens sonst nicht – wenn etwa wieder Umsetzungen von EG-Richtlinien abgenickt werden, oder man biometrische Pässe aus den USA als Vorbild nimmt.

Es liegt an uns, wieder aktiver zu werden in unserer Demokratie. Wieder über Politik zu sprechen und offen mehr Bürgerrechte und mehr aktive Teilhabe einzufordern. Sicherlich nicht so, dass über jedes Detail eine Volksabstimmujng her muss, aber es ist eben eine Frage, warum nicht einmal bei einem rein repräsentativen Amt wie dem des Bundespräsidenten eine direkte Abstimmung her kann – die Parteien könnten ja immer noch die Kandidaten vorgeben.

Es ist die Frage, warum die noch so kleine Fraktion im Bundestag Gesetzesentwürfe und Anfragen an den Bundestag stellen kann – noch so viele Bürger es aber nicht können. Was würde es kosten, das Petitionssystem zu umzustellen, dass bei ausreichender Zustimmung eine Vorlage im Bundestag beraten werden muss?

Und warum kann im Extremfall die Politik ein Gesetz beschliessen, das theoretisch 90% der Bundesbürger nicht wollen – weil die Bürger keine Möglichkeit haben, das Gesetz nach dem Beschluss noch verbindlich mit einem Volksentscheid zu stoppen. Der einzige Grund warum der Bundestag ein Gesetz beschliessen kann ist die demokratische Legitimation, die ihm in der vorangegangenen Wahl verliehen wurde – also ist es doch nur logisch, dass das Volk auch direkt gegen beschlossene Gesetze vorgehen können sollte.

All das ist auch nach 60 Jahren nicht nur nicht möglich, es wird noch nicht einmal darübr diskutiert. Stattdessen haben wir Parteien die im Automatismus handeln, wir haben einzelne Politiker, die seit langem über Listen abgesichert sind und fördern eine Art politischen Adel, eine Politikerkaste die in Gebahren, internen sozialen Regeln und demokratischer Legitimation mehr an Monarchie als an Demokratie erinnern.

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